Vergütung für Schnelltests

von Ronald Hüning

Achtung – Null-Retax droht (nicht nur) bei Testzentren

Rechtspolitisch ist es mehr als unglücklich, dass dadurch Kostenträgern wieder einmal juristisch die Möglichkeit gegeben wird, Null-Retaxationen zu begründen. Eine bedenkliche Situation, auch für andere Leistungserbringer.

Ist die Abrechnung der durchgeführten Corona-Tests nicht formal korrekt, kann keine Leistungskontrolle stattfinden. Dies kann auch zum vollständigen Entfall des Vergütungsanspruchs führen, so das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 20. Januar 2023, Az.: L 4 KR 549/22 B ER, der auch allen Hilfsmittel- Leistungserbringern als Warnung dienen sollte.

Schnelltests für mehr Sicherheit
Noch am 2. März 2023 hat das Bundesministerium für Gesundheit auf www.zusammengegencorona.de verkündet, dass Schnelltests sich millionenfach bewährt haben. Da sich durch die Tests Corona-Infektionen erkennen lassen und Infektionsketten frühzeitig durchbrochen werden, haben die flächendeckenden Testungen für mehr Sicherheit in der Pandemie gesorgt. Resultat: Während der Corona-Pandemie gab es bundesweit mehr als 15.000 Teststellen. Bis Februar 2023 wurden laut Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rund 742.000.000 Testkits geliefert; dies umfasst ein Abrechnungsvolumen von rund 8,4 Mrd. Euro.

Leistungsanspruch nach § 7 TestV
Anspruchsgrundlage für die Vergütung der Schnelltests war bis zum 28. Februar 2023 § 7 der Coronavirus-Testverordnung. Die Leistungen werden über die zuständige Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet. Voraussetzung für die Abrechnung ist eine formal richtige Dokumentation; diese ist „abrechnungsbegründend“, so die KBV. Hierzu gehören neben Namen, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift auch die genaue Art der Testung sowie das Ergebnis und der genaue Mitteilungsweg an die getestete Person. Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Vergütung.

Überprüfung der Abrechnung
Die Kassenärztlichen Vereinigungen prüfen die Abrechnungen von Leistungen, die bis zum 28. Februar 2023 erbracht worden sind. Hierzu führen sie Plausibilitätsprüfungen und Prüfungen der Dokumentation durch. So auch in dem vom LSG Niedersachsen-Bremen entschiedenen Fall. Die KV hatte aufgrund einer Plausibilitätsprüfung Strafanzeige erstattet. Obwohl das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, hat die KV jegliche weitere Zahlung an den Betreiber des Testzentrums verweigert. Es hätten sich Unstimmigkeiten in der Dokumentation ergeben bei den E-Mail-Adressen und den Telefonnummern der getesteten Personen. Auch die Bestätigung der Testverfahren würde im Einzelfall zwischen der elektronischen und papierschriftlichen Bestätigung abweichen. Dies sah die KV als hinreichend an, um weitere Zahlungen – die Forderungen beliefen sich allein für die Monate Mai bis September 2022 auf fast 400.000 Euro – zu verweigern.

Kein Anspruch auf Abschläge
Die von der KV behaupteten Mängel führen dazu, so das LSG Niedersachsen-Bremen, dass der Betreiber des Testzentrums nicht einmal einen Anspruch auf Auszahlung eines Abschlags auf die Vergütung habe. Es sei ihm zuzumuten, die Überprüfung der KV abzuwarten. Sein Einwand, dass er aber sämtliche anderen Kosten, wie z. B. Personal- und Sachkosten sowie die Mietzahlungen zu tragen hätte und wegen der Zahlungsverweigerung der KV faktisch insolvent sei, wurde nicht gehört. Bei der Aussetzung der Zahlung handele es sich um eine Ermessensentscheidung der KV. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung der Ermessensausübung sei das Abrechnungswesen von Leistungserbringern im Medizinsektor.

Anforderungen an die Abrechnung
Das Kern-Element zur Kontrolle für den Leistungsträger stelle die Abrechnung erbrachter Leistungen dar. Dieses Verfahren, so das LSG Niedersachsen-Bremen, ist streng formal geregelt und daher vom Leistungserbringer einzuhalten. Ein Verstoß gegen Abrechnungsbestimmungen könne somit zum vollständigen Entfall des Entgelts führen. Dies gelte insbesondere in Abrechnungsverfahren bei Massenleistungen. Damit überträgt das LSG die aus dem Hilfsmittel- und Arzneimittelbereich bekannte Null-Retax-Rechtsprechung des BSG ohne jeden Abstrich auf die Testzentren. Eine Retaxation auf Null ist danach auch bei einem Massengeschäft wie den Corona-Tests zulässig, sobald der bloße Verstoß gegen Ordnungsvorschriften überschritten wird.

Fazit für die Praxis
Die Entscheidung des LSG Niedersachsen- Bremen ist an Oberflächlichkeit und Arroganz gegenüber den Betreibern von Teststellen – und damit auch gegenüber allen anderen Leistungserbringern – kaum zu überbieten. Dass es dann auch noch falsche Ausführungen macht, toppt das Ganze: So hat sich das Gericht selbst die Dokumentation angeschaut und festgestellt, dass bei einer erheblichen Anzahl die Ausweisnummer der getesteten Personen fehle.

Hierbei übersieht das LSG aber, dass die Dokumentation der Ausweisnummer bei den Bürgertestungen überhaupt nicht gefordert ist. Trotzdem stützte sich das Gericht auf diese angebliche Unrichtigkeit in der Dokumentation, um die komplette Zahlungsverweigerung zu rechtfertigen. Politik in Bund und Ländern haben in den vergangenen Jahren auf die Bürgertests gebaut, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Über 742.000.000 Tests wurden in dieser Zeit durchgeführt. Dass bei einem Volumen von 8,4 Mrd. Euro vereinzelt Betreiber von Testzentren die Situation ausgenutzt haben, liegt in der Natur der Sache.

Dass zudem Fehler bei der Dokumentation derartiger Massen an Einzelleistungen passieren, liegt auf der Hand und ist nur allzu menschlich. Dass diese Fehler aber auch vom Gesetzgeber geradezu initiiert worden sind, der in extrem kurzen Intervallen immer wieder neue Regelungen eingeführt hat, ohne den Leistungserbringern auch nur ansatzweise eine angemessene Frist zur Umsetzung dieser Neuregelungen zu gewähren, ist ebenso Fakt.

Insoweit ist es zumindest rechtspolitisch mehr als unglücklich, dass die Rechtsprechung wieder einmal den Kostenträgern das Handwerkzeug an die Hand gibt, Null-Retaxationen unbeschadet der Situation, in der die Leistungserbringer die Arbeiten erbracht haben, zu begründen.

Entsprechend dem sozialrechtlichen Schadensbegriff, der bereits durch das Bundessozialgericht ausgeformt worden ist, kommt es nach den Feststellungen des LSG Niedersachsen-Bremen auch bei den Corona-Tests nicht darauf an, ob die Leistung korrekt erbracht worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob auch sämtliche anderen abrechnungsbegründenden Voraussetzungen – wie z. B. die formal korrekte Dokumentation – vorliegen. Unvermeidbare Fehler in der Dokumentation können demnach zum Verlust des Vergütungsanspruchs führen.

Betroffen hiervon sind neben den Testzentren primär Hilfsmittel-Leistungserbringer und Apotheken (für die allerdings schon seit 2021 eine Sonderregelung für unbedeutende Formfehler besteht), da die auch dieser Entscheidung zugrunde liegende Rechtsprechung des BSG dem Grunde nach all diese Bereiche gleichermaßen tangiert.

Selbst Formfehler stellen somit ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für Leistungserbringer dar. Soweit sich bei Abrechnungsprüfungen angebliche Mängel zeigen, kann den betroffenen Leistungserbringern nur dringend dazu geraten werden, sich umgehend fachkundige Unterstützung zu suchen.

Zurück